Veitstanz

Veitstanz

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Veits|tanz 〈m. 1u; unz.〉 Nervenerkrankung mit Muskelzuckungen u. unwillkürlichen, fahrigen Bewegungen; Sy Chorea [nach St. Veit, der dem Sohn Diokletians den Teufel austrieb]

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Veits|tanz, der <o. Pl.> [ von mlat. chorea sancti Viti; der hl. Vitus (= Veit) wurde bei dieser Krankheit angerufen] (volkstümlich, sonst veraltet):
Chorea.

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Veitstanz
 
[f-; Lehnübersetzung von mittellateinisch chorea sancti Viti], Chorea, Medizin: Gruppe von neurologischen Erkrankungen mit Betroffensein des extrapyramidalen Systems (extrapyramidales Syndrom). Es kommt zu charakteristischen Bewegungsstörungen mit schnell ablaufenden, überschießenden und unregelmäßigen Bewegungsabläufen infolge unwillkürlicher Kontraktion wechselnder Muskeln oder Muskelgruppen. Bei schwacher Ausprägung können diese überschießenden Bewegungen (Hyperkinese) wie »Verlegenheitsbewegungen« aussehen und im Gesicht auch als Schmatzen oder Grimassieren in Erscheinung treten. Meist findet sich eine Verminderung des Muskeltonus (Muskelhypotonie). Bei der Chorea major (Huntington-Chorea) handelt es sich um ein dominant erbliches Leiden, das sich meist erst zwischen dem 30. und 55. Lebensjahr manifestiert. Kinder von Erkrankten haben ein 50 %iges Risiko, am Veitstanz zu erkranken. Durch die späte klinische Ausprägung der Erkrankung erfahren sie davon häufig erst als junge Erwachsene. Eine prädiktive molekulare Diagnostik ist daher von Bedeutung. Die Untersuchung sowie die vorangehende schwerwiegende Entscheidung für oder gegen die Analyse sollten nur im Rahmen einer genetischen Beratung mit intensiver Betreuung der Rat Suchenden erfolgen. Bei Chorea major findet sich eine hochgradige Atrophie des Streifenkörpers (Corpus striatum) des Großhirns und im fortgeschrittenen Stadium auch der Hirnrinde. Neben den charakteristischen, plötzlich einschießenden Bewegungen kommt es außerdem zu Veränderungen mit Antriebs- und Affektstörungen, symptomatische Psychosen und einem geistigen Verfall. Das krankheitsverursachende Gen liegt auf dem Chromosom 4. Die genetische Veränderung besteht in der Verlängerung von bestimmten Abschnitten des Erbgutes, der so genannten Triplettexpansion (fragiles X-Syndrom). Bei diesem erst 1991 erkannten Mutationsmechanismus liegen drei aufeinander folgende Bausteine (Tripletts) des Erbgutes, die schon natürlicherweise in 9-35 Wiederholungseinheiten vorhanden sind, vermehrt (expandiert) vor. Wiederholungseinheiten von mehr als 38 Tripletts führen regelmäßig zur Erkrankung. Bei Wiederholungseinheiten zwischen 36 und 38 ist eine genaue Prognose nicht möglich. Von dieser Erkrankung muss die Chorea minor (Sydenham-Chorea) abgegrenzt werden, die nach Streptokokkeninfektionen v. a. im Schulalter und bevorzugt bei Mädchen (zwischen dem 6. und 13. Lebensjahr) auftritt. Neuropathologisch finden sich entzündliche Veränderungen vorwiegend im Streifenkörper und subthalamischen Kern. Neben typischer Hyperkinese sind oft Affektlabilität, Reizbarkeit und Antriebsarmut bei mangelnder Aufmerksamkeit festzustellen. Die Behandlung besteht in hohen Antibiotikagaben (Penicillin) und muss eventuell zur Rezidivprophylaxe länger fortgesetzt werden. Als Chorea gravidarum wird ein ähnliches Krankheitsbild bezeichnet, das bevorzugt zwischen dem 3. und 5. Schwangerschaftsmonat auftritt.
 

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Veits|tanz, der <o. Pl.> [LÜ von mlat. chorea sancti Viti; der hl. Vitus (= Veit) wurde bei dieser Krankheit angerufen]: mit Muskelzuckungen o. Ä. verbundene ↑Nervenkrankheit (a): Sie ... rangen die Hände, zuckten und grimassierten wie vom V. Befallene (Süskind, Parfum 301).

Universal-Lexikon. 2012.

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  • Veitstanz — (Chorea St. Viti), 1) Großer V. (Chorea major), Krampfkrankheit, welche in Paroxysmen auftritt u. in unwillkürlichen Bewegungen besteht, welche den zweckbewußten ganz ähnlich sind u. wobei das Bewußtsein mehr od. weniger afficirt ist. Jeder… …   Pierer's Universal-Lexikon

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